Jeder gute Roman braucht eine Struktur. Ohne einen roten Faden oder zentrale Ereignisse wie den Höhepunkt und die Wendepunkte plätschert die Geschichte vor sich hin und wirkt schnell wie eine bloße Aneinanderreihung von Szenen anstatt wie eine zusammenhängende Erzählung. Um das zu vermeiden, machen Sie sich vorab Gedanken über den Aufbau Ihrer Geschichte und legen die zentralen Schlüsselmomente fest.
Warum ist eine klare Struktur so wichtig?
Die Begriffe Struktur und Aufbau hören sich im ersten Moment einengend an. Fragen Sie sich, warum Sie Ihre Geschichte nicht schreiben können, wie es Ihnen gefällt und wie es gerade passt? Sie dürfen. Doch mit einer klaren Struktur lässt sich mehr aus einer Idee herausholen. Ein sinnvoller Aufbau gibt den Leser*innen Orientierung und hilft, der Handlung zu folgen und mitzufiebern. Nicht ohne Grund haben sich klassische Modelle wie die Drei- oder Fünf-Akt-Struktur schon vor vielen Jahrhunderten etabliert und werden bis heute genutzt. Sie funktionieren gut, um eine Geschichte fesselnd zu erzählen.
Darüber hinaus minimiert eine Struktur das Risiko, sich beim Schreiben zu verzetteln und die Geschichte ins Nichts laufen zu lassen. Daher kann es sinnvoll sein, sich schon vorab einen Ablauf der Geschehnisse zu überlegen. Alternativ lässt sich auch nachträglich Struktur in die Erzählung bringen, indem einzelne Szenen umgestellt, ergänzt oder gestrichen werden.
Die Befürchtung, dass die Orientierung an einem vorgefertigten Modell der Geschichte ihre Individualität raube, ist unbegründet. Varianz entsteht automatisch dadurch, dass die Modelle mit unterschiedlichen Inhalten gefüllt werden. Wie flexibel die Konstrukte sind, zeigt sich auch darin, dass sie sich auf unterschiedliche Genres anwenden lassen. Sie funktionieren für romantische Liebesgeschichten gleichermaßen wie für blutige Thriller, auch wenn die beiden auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben. Sie entscheiden selbst, welche Plotstruktur Ihnen zusagt und wie Sie diese an Ihre Bedürfnisse anpassen. Denn die Aufbaumodelle sind keine starren Vorgaben, sondern flexibel einsetzbare Planungshilfen.
Der klassische Romanaufbau
Drei-Akt-Struktur
Beim Strukturieren Ihrer Geschichte können Sie sich an verschiedenen Modellen orientieren, eins der populärsten ist die Drei-Akt-Struktur, bei der die Romanhandlung in drei Abschnitte gegliedert wird. Im ersten Teil werden die Figuren, das Setting und die Handlung eingeführt. Der Leser lernt die Welt der Geschichte kennen und bekommt eine Idee davon, worum es gehen soll. Was sind die offenen Fragen und wichtigsten Konflikte? Welche Art von Geschichte wird erzählt? Das sollte im ersten Teil klar werden, denn seine zentrale Funktion besteht darin, Neugierde zu wecken, damit der Leser den Rest der Handlung erfahren möchte. Im zweiten Teil spitzen sich die Konflikte zu, die Handlung wird aktiver und es kommt zum Höhepunkt der Geschichte. Am Ende des ersten und zweiten Teils steht jeweils ein Wendepunkt, der zum nächsten Abschnitt überleitet. Im letzten Teil werden die Konflikte aufgelöst. Die Handlungsstränge werden zu einem Ende gebracht und möglichst alle offenen Fragen geklärt, um die Geschichte zu einem befriedigenden Ende zu bringen – egal, ob es sich dabei um ein Happy End oder eine Tragödie handelt.
Fünf-Akt-Struktur
Einem ähnlichen Muster folgt die Fünf-Akt-Struktur, doch sie betrachtet den Aufbau noch detaillierter. Hier wird im ersten Akt in die Geschichte eingeführt. Im zweiten Akt spitzt sich der Konflikt zu und der Protagonist wird zum Handeln gezwungen, wodurch die Geschichte im dritten Teil ihren Höhepunkt erreicht. Für den Protagonisten bedeutet dies in der Regel den absoluten Tiefpunkt; an dieser Stelle scheint alles aussichtslos und die Konflikte und Probleme erreichen ihr Maximum. Erst im vierten Akt lösen sie sich langsam auf, es kommt zu einem Wendepunkt und dadurch wird die Auflösung herbeigeführt, die im fünften Akt auserzählt wird.
Sieben-Punkte-System
Besonders gründlich lässt sich mithilfe des Sieben-Punkte-Systems von Dan Wells plotten. Wieder dient der erste Abschnitt der Einführung in die Geschichte, die Charaktere und das Setting. Darauf folgt die erste Wendung oder der Auslöser für die Geschichte: Ein Problem taucht auf, die Ausgangssituation verändert sich und es wird Spannung aufgebaut. Der nächste Abschnitt trägt den Namen „erster Kniff“. Hier verschlechtert sich die Situation des Protagonisten, häufig wird an dieser Stelle der Antagonist eingeführt und der Protagonist wird zum Handeln gezwungen. Dies führt zum Mittelpunkt der Geschichte, an dem der Protagonist nun aktiv handelt und ein klares Ziel entwickelt hat, auf das er hinarbeitet. Beim sogenannten zweiten Kniff verschlechtert sich die Situation erneut, der Protagonist scheitert und erreicht seinen absoluten Tiefpunkt. Alles scheint ausweglos, doch dann kommt es zur zweiten Wendung: Es offenbart sich eine Möglichkeit, das Ziel doch zu erreichen. Je nach gewähltem Ende wird die Situation im letzten Moment gerettet oder es wird die absolute Niederlage eingeleitet. Zuletzt erfolgt die Auflösung des Hauptkonflikts. Das Ende der Geschichte stellt das Gegenteil der Ausgangssituation dar.
Wie können Sie konkret vorgehen?
Nachdem Sie sich entschieden haben, welches Modell für Ihre Zwecke am besten passt, gilt es, dies auf Ihre persönliche Geschichte anzuwenden. Überlegen Sie, worum es in Ihrem Roman eigentlich gehen soll. Was ist die zentrale Idee, das zentrale Thema der Geschichte? Welche Aspekte sind besonders wichtig? Davon ausgehend können Sie die zentralen Schlüsselmomente wie die Ausgangssituation, das Ende, den Höhepunkt und die Wendepunkte entwickeln. Wenn diese feststehen, lässt sich schauen, was dazwischen passieren muss, um die Abschnitte sinnvoll zu verbinden. Die Szenen sollten logisch aufeinander aufbauen, am besten entsteht der Eindruck, als wäre gar kein anderer Ablauf denkbar, da sich die Ereignisse und Figurenentwicklungen zwangsläufig auseinander ergeben. Dadurch verliert die Erzählung den Eindruck einer losen Szenensammlung und wird zu einer Geschichte, bei der die Leser*innen gerne weiterlesen möchten.
Wer mag, kann die Modelle auch einzeln auf die verschiedenen Handlungsstränge anwenden und für jeden Strang die wichtigsten Szenen definieren. Dabei müssen nicht alle Handlungsstränge parallel zueinander verlaufen, sondern können sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit entwickeln. Es müssen also nicht alle Höhepunkte zusammenfallen, sondern der Höhepunkt der Haupthandlung wird vielleicht schon ein paar Szenen früher erreicht als der Höhepunkt der in einem Nebenstrang erzählten Liebesgeschichte. Wenn jedoch mehrere Schlüsselereignisse aus verschiedenen Handlungssträngen zusammenfallen, macht das eine Szene bedeutungsträchtig. Das Organisieren der Szenen ist ein gutes Mittel, um die Spannung zu kontrollieren und das Interesse der Leser*innen aufrechtzuerhalten.
Wenn der grobe Aufbau feststeht, kann davon ausgehend eine konkrete Szenenliste erstellt werden. Dies ist aber nicht zwingend notwendig und wie detailliert Sie vorab planen, bleibt selbstverständlich Ihnen überlassen. Manche Menschen brauchen einen genauen Plan, andere starten lieber mit einer vagen Idee und bauen diese erst beim Schreiben weiter aus. Falls Sie vorab gar nicht planen, ist es auch möglich, das gerade beschriebene Verfahren im Nachhinein anzuwenden. Erstellen Sie nach Fertigstellung des ersten Entwurfs eine Liste aller Szenen und überlegen Sie, wo die Schlüsselmomente zu finden sind. Stehen sie an der richtigen Stelle oder fehlt vielleicht etwas Wichtiges wie ein Wendepunkt? Vielleicht wirken einzelne Szenen im Nachhinein auch unwichtig für das Gesamtbild. All das lässt sich beurteilen, wenn man sich einmal nicht mit dem konkreten Text beschäftigt, sondern herauszoomt und einen Blick auf das übergreifende Konzept des Romans wirft.