Jugendbuchübersetzung Frag mich, wie es für mich war von Christine Heppermann

Eine riskante Gleichung

Eins plus eins plus
null Kondome
macht bittebittebitte nicht drei

Im März 2017 traf ich auf der Buchmesse in Leipzig Andrea Baron. Andrea ist Lektorin beim Verlag Beltz und Gelberg. Sie zeigte mir ein Jugendbuch, dessen Lizenzrechte sie gerade erworben hatte – und fragte mich, ob ich es für den Verlag übersetzen könnte.

Nach einem kurzen Blick in den Text war ich Feuer und Flamme. Das Original ist wirklich stark geschrieben, voller Wortwitz und subtilem Humor trotz eines schwierigen Themas. Im Buch geht es um Abtreibung … na ja, eigentlich ist das nicht ganz richtig. Genauer gesagt geht es um die sozialen Implikationen einer solchen für die Protagonistin. Diese entscheidet sich nämlich für eine Abtreibung  – ist aber von den Folgen heillos überfordert. Ein Thema, das Fingerspitzengefühl fordert und mich ein wenig einschüchterte. Deshalb sagte ich erst mal nur unter Vorbehalt zu und begann damit, die ersten Seiten zu übersetzen. Es gab einige Untiefen zu umschiffen, an dieser Stelle gebührt zwei Freunden aus England und Kanada Dank, die mir bei Zweifelsfällen zur Seite standen.

Andrea war glücklich mit meiner Probeübersetzung und ich hatte richtig Lust auf den Text. Es konnte also losgehen. Im Laufe des Sommers entstand dann die deutsche Version der Geschichte. Ich hatte eine Menge Spaß daran, kreative Lösungen für vermeintlich unübersetzbare Passagen zu entwickeln. Andreas Lektorat war äußerst bereichernd. Sie brachte als Lektorin eigene Ideen ein und gab Anstöße, die zu besseren Einfällen führten.

Es gab einige besondere Textstellen. Zum Beispiel folgende, als der Freund der Protagonistin ihr ankündigt, eine Überraschung für sie zu haben. Sie malt sich aus, welche das sein könnte.

Surprise, my teeth fell out!

Surprise, well, all but two! In the front!

Surprise, I’m going on tour with Michael Bublé!

Surprise, I meant Mr. Bubble!

Surprise, I’m joining the priesthood!

Surprise, I’m pregnant!

Das Spiel mit den ähnlichen Worten Bublé und Bubble stellt hier die deutsche Übersetzung vor eine Herausforderung. Denn auch wenn der Musiker Michael Bublé beim deutschen Publikum bekannt ist, gilt das eben nicht gleichermaßen für Mr. Bubble, das animierte Gesicht eines Badeprodukts  (America’s favorite bath time buddy). Tatsächlich hat Mr. Bubble zwar schon einige mediale Aufmerksamkeit bekommen, wurde mal bei den Simpsons erwähnt sowie in Gran Torino, aber für die deutschsprachige Zielgruppe des Buchs war er mir zu weit weg. Denn als Übersetzer versuche ich Wirkungsäquivalenz zu erreichen, d. h. ich möchte im Idealfall dieselben Gefühle bei den Lesern hervorrufen wie im Original. Also begab ich mich auf die Suche nach Namenspärchen, die eine ähnliche Verbindung hatten wie der kleine Badefreund und der Jazz-Sänger. Beim Brainstorming kamen ungefähr zehn Kombinationen heraus, von denen ich die meisten einen Augenblick später so peinlich fand, dass ich lieber nichts davon erzähle. Eine der besseren Ideen war die Kombination von Peter Fox und dem Spee-Fuchs. Na ja, egal. 🙂

Zwei, drei Vorschläge schafften es dann aber in die engere Auswahl und wir sprachen darüber. Schließlich wurde es folgende Variante:

Überraschung, ich drehe einen Film mit Käpt’n Jack Sparrow!

Überraschung, ich meinte Käpt’n Iglo!

Wenn man anstrebt, faktisch so nah wie möglich am Original zu bleiben, ist das sicherlich nicht ideal. Denn Jack Sparrow ist ja nicht einmal eine reale Person, sondern nur ein Filmcharakter. Aber spielt das eine Rolle? Für meine Begriffe wird die Wirkung des Originals hier wiedergegeben.

Ein weiteres Beispiel, bei dem ich mich etwas weiter vom Original weggewagt habe, ist die folgende Überschrift:

Night Light

An hour later,
brushing my teeth,
I’m still glowing
in the dark.

„Night light“ hätte man wörtlich übersetzen können. Aber ich hatte das Bedürfnis, ein Wort zu finden, das zur Stimmung der Szene passte, zur Gefühlswelt der Protagonistin in diesem Augenblick. Die Idee, „Glühwürmchen“ zu nehmen, kam mir völlig aus dem Nichts auf einer Bahnfahrt von Berlin nach Köln, nachdem ich am Tag zuvor vergeblich über eine Lösung gegrübelt hatte.

Glühwürmchen

Eine Stunde später,
beim Zähneputzen,
leuchte ich immer noch
im Dunkeln.

An einer Stelle im Buch ist die Rede von „sweatfree sweats“ in der Sporttasche, ein Bezug darauf, dass die Protagonistin nicht beim Lauftraining war, wovon ihre Eltern nichts ahnen. Eine Wortspielerei, die im Deutschen so schlichtweg nicht funktioniert. Ein schweißfreies Schweißband wäre eine Möglichkeit gewesen, den Effekt eins zu eins zu transportieren. Aber im Kontext gefiel mir diese Lösung nicht. Wie die Stelle in der finalen deutschen Version lautet, könnt ihr ab dem 12. Februar 2018 nachlesen. Dann erscheint Frag mich, wie es für mich war von Christine Heppermann auf Deutsch. Ich freue mich schon unheimlich, das Buch in den Händen zu halten.

Weitere Lieblingsstelle:

Dad kann alles reparieren

Papierstau, einen verstopften Abfluss, Bildschirmflimmern,
das beunruhigende Geräusch beim Starten des Motors.

 

Er ist der König des schnellen Abstechers zum Baumarkt,
ein Zauberer beim Aus- und Einstöpseln.

 

Als ich klein war, konnte er die Monster unter meinem Bett
verscheuchen, indem er einfach das Licht anmachte.

 

In den Mauern seiner Umarmung
fühle ich mich etwas greifbarer.

 

Es ist okay, Addie. Alles wird gut.

 

Wenn ich nur vergessen könnte,
wie er zusammengezuckt ist,

 

als meine Worte bei ihm ankamen.
Als ob etwas
zerbrochen wäre.

 

Weitere Infos zum Buch findet ihr hier.

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